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Pressestimmen 

Shopping Town 66

Der Standard, 31.12.2011/1.1.2012 

KILL BILL, QUERFELDEIN 

Es gibt kein Stillhalten, keine Rast und keinen Platz zum Atemholen: Heinz Vegh hat einen vollmotorisierten Roman geschrieben


Es gibt Geschichten, die lassen sich nicht nacherzählen. Plumpe Inhaltsangaben werden dann nämlich dem Ganzen so sehr nicht gerecht, dass sie das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich bezwecken wollen. Shopping Town 66 von Heinz Vegh ist so eine Geschichte, vollgestopft mit schrägen Vögeln, abgründigen Situationen, blöden Schicksalsschlägen, hinterfotzigen Gemeinheiten, anrüchigen Hinterzimmern oder schlicht brutalen Bösartigkeiten. Wildgewordene Lehrlinge tummeln sich darin, Erfinder katholischer Bedarfsartikel, Suppenköchinnen, Defraudanten, eine britische Stewardess, ein Papst und dieser Alois Brunner, der immer noch gesuchte Naziverbrecher. Und was die einander antun, treibt die Leser in einer gar nicht erbaulichen Atemlosigkeit rund um den Erdball. 

Es hat also Hand und Fuß, wenn Heinz Vegh sein Buch einen Roadmovie-Roman nennt und ihm ein Zitat von Jack Kerouac voranstellt: "Das Buch in Drehbuchform ist der Film in Worten." Und falls der Autor sich einen dazupassenden Regisseur wünschen könnte, wäre es auch klar, wer es machen müsste. "Quentin Tarantino", sagt Vegh. Schelmisch ein wenig, ja - aber keineswegs an den Haaren herbeigezogen. 

Vegh macht beim Erzählen nicht viele Umstände, er führt den Leser nicht behutsam in seine Welt, sondern stößt ihn ziemlich unvermittelt ins kalte Wasser der Shopping Town mit der laufenden Nummer 66. In dieser werkt ein stets drangsaliertes Mädel als Friseurlehrling, dem das von einem Augenblick auf den anderen über den Kopf wächst, worauf es der unerträglichen Kundschaft auf die Brust springt, sie mit der spitzen Friseurschere an der Halsschlagader zum Stillhalten zwingt und ihr schließlich den Kopf rasiert. 

Zeitgleich tritt ebenda - Shopping Town 66 - der Freund des Mädels, Burschi, seinem Geschäftsführer von hinten sehr kräftig zwischen die leicht gespreizten Beine, weil dieser nicht aufhören will, ihn Burschi zu nennen. "Ich heiße Robert", ruft also der tretende Verkäuferlehrling, der sich im weiteren Verlauf als die annähernd normalste Erscheinung herausstellen wird, was man weder von Haberleitner (Defraudant) noch von Flieder (dem Gatten der Rasierten, Erfinder von Reisealtären und vom Regen in die Haberleitner'sche Traufe bis hinauf in die Akutpsychiatrie Gelangten) nicht sagen kann. 

Heinz Vegh ist kein Unbekannter. In den 1970ern und 1980ern schrieb er zahlreiche Hörspiele und Drehbücher für ORF und ZDF. Seine theatralische Pranke konnte er auch in Shopping Town 66 nicht verleugnen. In kurzen Schnitten treibt er die Geschichte rastlos im Vollgastempo über die ausgesprochen kurvenreiche Strecke. Kaum wo ein Platzerl zum Atemholen - aber auch keines zum Fadisieren. Mag sein, fürs Nachtkastl ist das nix. Aber wer Pulp Fiction oder Kill Bill mag, wird sich wohl auch gerne mitnehmen lassen im schleudernden Rallyegefährt des Heinz Vegh.   

(Wolfgang Weisgram/ DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2011/1.1.2012)

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